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75. Jahrestag – Das dunkle Kapitel der NATO: Mitverantwortung für türkische Kriegsverbrechen

Bozen, Göttingen, 3. April 2024

Flüchtlingslager in der Region Shahba, Nordaleppo, Nordsyrien. Foto: Kamal Sido / GfbV 2019.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung der NATO am 4. April 1949 erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die dunkle Seite in der Geschichte des nordatlantischen Militärbündnisses. „Die wichtige Rolle der NATO als Schutzschild gegen reale Bedrohungen wird zu Recht gewürdigt, aber das Bündnis hat nicht nur eine ruhmreiche Geschichte“, sagte GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido am Mittwoch. „Eines der dunkelsten Kapitel ist die vorbehaltlose Unterstützung der Türkei trotz der Menschenrechtsverbrechen gegen die kurdische Bevölkerung. Die Beitrittsverhandlungen Schwedens haben die Doppelmoral der NATO erneut deutlich gezeigt, denn die Aufnahme wurde durch Zugeständnisse an die Türkei erkauft.“

Seit dem Beitritt der Türkei 1952 sei die NATO für die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen des Staates an der kurdischen Bevölkerung und die Unterdrückung der türkischen Demokratiebewegung mitverantwortlich. „Mithilfe der NATO hat die Türkei versucht, die kurdische Sprache, Kultur und Identität auszulöschen. Das war ein versuchter Völkermord an den Kurden in der Türkei“, sagte Sido. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung hat das türkische Militär in den 1980er und 1990er Jahren laut aktuellen Schätzungen mindestens drei Millionen Kurden sowie Assyrer und Aramäer, Christen, Yeziden und Aleviten vertrieben. Rund 4.000 Dörfer in Türkisch-Kurdistan wurden von der türkischen Armee und ihren Söldnern zerstört und 17.000 Menschen von sogenannten „Unbekannten“ ermordet. Zudem wurden von Zentralanatolien bis zum Zagros-Gebirge in Ostkurdistan ganze Landstriche entwaldet.

In den kurdischen Gebieten der Türkei habe die türkische Regierung mit Duldung der NATO seit dem gescheiterten Putsch 2016 faktisch eine Besatzungsmacht installiert. Die Lage vor Ort verschlechtert sich zunehmend: Immer mehr Kurden werden inhaftiert, Parteien und Vereine werden verboten. Vielerorts wurden Bürgermeister und Gemeinderäte durch Zwangsverwalter aus Ankara ersetzt. Mindestens 15.000 kurdische Politikerinnen und Politiker sitzen laut Angaben des kurdischen Kommunalpolitikers Abdullah Demirbaş in der Türkei im Gefängnis, viele weitere sind wegen drohender Gerichtsverfahren geflohen.

„Seit 2018 geht die Türkei auch gegen Kurden in Syrien vor. Mit der Besatzung von Afrin und Ras al-Ain (Sare Kaniye) hat die Türkei klar das Völkerrecht gebrochen. Trotzdem hat die NATO nicht reagiert und dabei ihre Werte verraten“, kritisierte Sido. Etwa 1,5 Millionen Menschen wurden laut Schätzungen der GfbV aus Nordsyrien vertrieben oder mussten fliehen. Die Lage der Menschen vor Ort ist von Unsicherheit und Gewalt geprägt: Es wird gemordet, geplündert und vergewaltigt. Durch tägliche Angriffe werde der Lebensraum systematisch weiter zerstört, um die Gebiete kurdenfrei zu machen.

„Auch das aktuelle Kapitel in der Geschichte der NATO ist von antikurdischen Maßnahmen geprägt. Die Aufnahme Schwedens in das Bündnis erfolgte erst, nachdem nicht nur Schweden, sondern die gesamte NATO Zugeständnisse an die Türkei gemacht hatten – und zwar gegen die Kurden“, erklärte Sido.