Bozen, Göttingen, 9. Juli 2025

Angesichts der anhaltenden Übergriffe, Entführungen und Morde an Angehörigen der drusischen Volksgruppe in der südsyrischen Provinz al-Suwaida hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die Regierung des Haschemitischen Königreichs Jordanien appelliert, einen Grenzübergang für humanitäre Zwecke zu öffnen. Für die Übergriffe sind Milizen verantwortlich, die der neuen islamistischen Regierung in Damaskus zugerechnet werden. „Wir bitten Sie, weitere Initiativen zu ergreifen, um das Nachbarland Syrien zu stabilisieren. Eine dieser Maßnahmen wäre die Eröffnung eines Grenzübergangs von Jordanien direkt in die syrische Provinz al-Suwaida“, schrieb die GfbV gestern in ihrem dringenden Appell an den jordanischen Außenminister Ayman Safadi.
„Die einzige Außengrenze der von den Drusen bewohnten Provinz ist die zu Jordanien. Alle anderen Zufahrtsstraßen führen durch von Sunniten besiedelte Gebiete nach Damaskus und in andere syrische Metropolen. Sowohl die neue syrische Regierung, die von radikalen sunnitischen Islamisten beherrscht wird, als auch andere sunnitische Milizen kontrollieren diese Zufahrtsstraßen nach al-Suwaida. Durch ihre zahlreichen Checkpoints lassen sie kaum Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff in das drusische Gebiet“, berichtete der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido heute in Göttingen.
In diesem Zusammenhang erneuert die GfbV ihren Appell an Politik und Medien in Deutschland, die Übergriffe, Entführungen und Morde an Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten in Syrien durch die neuen Machthaber und ihre sunnitischen Milizen nicht einfach hinzunehmen: „Manche Politiker und Journalisten in Deutschland rechtfertigen die Übergriffe und Morde an Angehörigen der Minderheiten in Syrien mit deren angeblicher Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime. Diese Behauptung ist aber falsch. Zu keinem Zeitpunkt war die Assad-Diktatur ein ‚Minderheiten-Regime‘. Es war vielmehr ein panarabistisches Regime, das vor allem von der arabisch-sunnitischen Bevölkerung Syriens unterstützt wurde. Das religiöse Leben der Drusen, Alawiten oder Ismailiten wurde höchstens geduldet, aber nie gefördert. An den Schulen und Universitäten wurde weder das Alawitentum noch das Drusentum unterrichtet, sondern nur der sunnitische Islam. Sowohl Baschar al-Assad als auch sein Vater bekannten sich zu dieser Ausprägung des Islam und beteten in sunnitischen Moscheen hinter sunnitischen Imamen“, erklärte der Menschenrechtler, der zuletzt im April die Drusen-Provinz al-Suwaida bereiste.
Die Provinz liegt im Südwesten Syriens, etwa 100 Kilometer südlich von Damaskus, und ist 5.550 Quadratkilometer groß. Sie ist das Siedlungszentrum der syrischen Drusen. Weiterhin leben dort einige syrisch-orthodoxe Christen und wenige Sunniten. Weltweit gibt es etwa eine Million Drusen, von denen die Mehrheit in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien lebt. Sie bezeichnen sich selbst als „al-Muwahhidun“, also Monotheisten. Eine andere Bezeichnung, die sich die Drusen selbst zuschreiben, ist „Bani Maaroof” – „Menschen der guten Taten“.