Bozen, Göttingen, 30. Juli 2025

Anlässlich des 11. Jahrestags des Völkermords an der yezidischen Bevölkerung im Irak durch den „Islamischen Staat“ (IS) fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), dass die deutsche Bundesregierung und die Bundesländer Angehörige der Minderheit nicht mehr in den Irak und nach Syrien abschieben. „Weder im Irak noch in Syrien hat sich die politische Lage für die yezidische Gemeinschaft und andere Minderheiten grundlegend verändert. Die deutsche Bundesregierung muss endlich tätig werden und einen bundesweiten Abschiebestopp für Yeziden verhängen“, fordert Dr. Kamal Sido, der Nahostreferent der in Göttingen ansässigen Menschenrechtsorganisation.
Das syrisch-irakische Grenzgebiet, von wo aus der IS 2014 die yezidische Bergregion Sinjar angriff und einen Massenmord an den Yeziden beging, bleibt weiterhin instabil. Bis 2019 hatte der IS weite Teile beider Länder unter seiner Kontrolle. Die islamistischen Milizen, die nach dem Sturz des Assad-Regimes in Damaskus und weiten Teilen Syriens die Macht übernommen haben, sind zumindest ideologisch sehr eng mit dem IS verbunden. Zwischen den Milizen, die heute die Macht in Damaskus haben, und dem IS existieren keinerlei Brandmauern.
„Minderheiten im Irak und in Syrien leben in ständiger Angst vor Gewalt durch Islamisten. Teile der sunnitischen Bevölkerung im syrisch-irakischen Grenzgebiet, in dem sich auch die yezidische Bergregion Sinjar befindet, hegen immer noch große Sympathien für den IS und seine menschenverachtende islamistische Ideologie. Seit der Machtübernahme der syrischen Milizen in Damaskus steigt die Bedrohung islamistischer Angriffe. Der IS breitet sich in der Region wieder verstärkt aus“, warnt der Menschenrechtler.
IS-Angehörigen sollen auch an den Angriffen auf die drusische Religionsgemeinschaft im Süden Syriens beteiligt gewesen sein. Sie sollen Uniformen der sogenannten syrischen Sicherheitskräfte angezogen haben, wie selbst der US-Sonderbeauftragte für Syrien und US-Botschafter in der Türkei, Thomas Barrack, sagt, der für seine Nähe zum türkischen Präsidenten Erdogan und den islamistischen Machthabern in den arabischen Golfstaaten bekannt ist.
Ferner gelingt es der irakischen Zentralregierung und der Regionalregierung in Kurdistan (Irak) nach wie vor nicht, sich über die administrative Zugehörigkeit des yezidischen Kerngebiets Sinjar zu einigen. Dies hat zur Folge, dass sich weder die Zentralregierung in Bagdad noch die Regionalregierung in Kurdistan für den Wiederaufbau der zerstörten Bergregion Sinjar verantwortlich fühlen. Aus dieser Region waren 2014 hunderttausende Yeziden vertrieben worden oder mussten fliehen. Ohne Wiederaufbau, eine funktionierende Infrastruktur und eine stabile Sicherheitslage können die vertriebenen Yeziden nicht in ihre Heimat zurückkehren.
Vor diesem Hintergrund wiederholt die GfbV ihre Kritik an der Haltung der deutschen Bundesregierung, die den Genozid bis heute nicht vollständig aufgearbeitet hat. Im Rahmen der Anerkennung des Völkermordes durch den Bundestag wurden wichtigen Fragen nicht gestellt. Bis heute bleibt offen, wie der IS entstanden ist und wer ihn finanziert hat. „Die Opfer des Völkermordes verdienen eine umfassende Aufklärung dieser Fragen. Das sind Deutschland und andere EU-Staaten, deren Staatsbürger sich als IS-Mitglieder an dem Völkermord beteiligten, sowie die NATO ihnen schuldig“, sagt Dr. Sido.
Am 3. August 2014 hatte der IS die yezidische Gemeinschaft im nordirakischen Sinjar überfallen und mindestens 5.000 von ihnen ermordet. Ungefähr 7.000 Frauen und Mädchen wurden in die Sklaverei verschleppt. 2.000 von ihnen gelten bis heute als vermisst.