Bozen, Göttingen, Sarajevo, 9. Juli 2025

Dreißig Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica bleiben zentrale Forderungen der Überlebenden und Angehörigen unerfüllt, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert: „Die internationale Gemeinschaft hat versagt – und sie versagt bis heute. Das Gedenken an die über 8.000 bosniakischen Jungen und Männer, die im Juli 1995 ermordet wurden, darf nicht vom politischen Handeln entkoppelt werden. Es braucht endlich Konsequenzen, Aufarbeitung und wirksame Prävention“, fordert Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung anlässlich des 30. Jahrestags des Massakers.
Die GfbV begrüßte die im Mai 2024 verabschiedete UN-Resolution, die den 11. Juli als Internationalen Gedenktag an den Genozid in Srebrenica etabliert. Doch Causevic zufolge muss dieser Gedenktag durch konkrete Maßnahmen flankiert werden: „Es reicht nicht, einmal im Jahr Worte des Bedauerns zu sprechen. Europäische Staaten und Institutionen müssen Genozid-Leugnung klar verurteilen, die Verbrechen aufarbeiten und aktiv zur Gerechtigkeit beitragen – gerade in der Entität Republika Srpska und in Serbien, wo nach wie vor Täter glorifiziert und Opfer diffamiert werden.“ Zu den notwendigen Maßnahmen gehörten europaweiten Veranstaltungen und Bildungsprogramme und verstärkte Anstrengungen zur Auffindung der verbleibenden Massengräber. Auch eine landesweit Erinnerungskultur, die die Ethnonationalisten bisher verhindern müsse die EU unterstützen.
Auch heute, 30 Jahre nach dem Verbrechen, ist der Verbleib von über 800 Opfern ungeklärt. Viele Familien haben nie vollständige Überreste ihrer Angehörigen erhalten. „Wenn in diesem Jahr sieben weitere Opfer in Potocari bestattet werden, dann oft nur mit einzelnen Knochen. Die Täter haben Massengräber systematisch zerstört, um ihre Spuren zu verwischen“, erinnert Causevic. „Währenddessen sterben immer mehr Mütter und Geschwister der Opfer, ohne je die sterblichen Überreste ihrer Liebsten bestatten zu können.“
Am morgigen 10. Juli 2025 organisiert die GfbV gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten Michael Brand und Adis Ahmetovic eine Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag. Dort wird Nedzad Avdić sprechen, der die Massenerschießungen 1995 überlebt hat. „Unser Respekt gilt Menschen wie Avdić und den Müttern von Srebrenica. Ihr unermüdlicher Kampf für Gerechtigkeit mahnt uns alle. Es ist beschämend, dass viele Täter weiterhin auf freiem Fuß sind“, so Causevic weiter.
Die GfbV-Sektionen Deutschland und Bosnien und Herzegowina rufen zur Teilnahme an den internationalen Gedenkveranstaltungen in Srebrenica und weltweit auf. Sie appellieren an die Bundesregierung, ihre historische Verantwortung anzuerkennen und entschlossen gegen Nationalismus und ethnische Spaltung auf dem Westbalkan vorzugehen. „Nie wieder darf Völkermord geschehen – und Nie wieder darf nicht zur leeren Floskel verkommen“, erklärt Causevic abschließend.