Bozen, Göttingen, 18. Oktober 2024
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert Christian Schmidt, den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina auf, sich aus dem sogenannten „Kovačević-Fall“ zurückzuziehen: „Einmal mehr betreibt Herr Schmidt das Geschäft der serbischen und kroatischen Ethno-Nationalisten und versucht in ihrem Sinne, die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Bosnien und Herzegowina zu verhindern“, kritisiert Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Mit seiner ungebetenen und kontraproduktiven Einmischung schafft er Unfrieden in der bosnischen Gesellschaft. Er opfert die Hoffnung der Menschen auf eine demokratische Zukunft, um Extremisten zu besänftigen.“
Im sogenannten „Kovačević-Fall“ hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 29. August 2023 entschieden, dass das aktive Wahlrecht des Beschwerdeführers Dr. Slaven Kovačević bei den Präsidentschafts- und Volkskammerwahlen verletzt worden sei. Dagegen hatten die amtierenden Vertreter des Ministerrats, beide Mitglieder ethno-nationalistischer Parteien, Einspruch erhoben. Daraufhin wurde der Fall der Großen Kammer des EGMR zur endgültigen Entscheidung vorgelegt. Am 20. November wird sie in Strasbourg über den Einspruch beraten. Hierzu hat sich Christian Schmidt aus eigener Initiative als sogenannte Dritte Partei eingeladen, um gegen das Urteil zu argumentieren.
In seiner jetzigen Form erfordert das EGMR-Urteil eine Änderung der Wahlgesetze sowie der Verfassung des Landes. Der bisherigen Regelung zufolge dürfen Wählerinnen und Wähler in Bosnien bei der Wahl für Mitglieder des Staatspräsidiums nur für Kandidaten stimmen, die ihrer eigenen Ethnie angehören. „Das widerspricht demokratischen Standards und leistet der Spaltung des Landes entlang ethnischen Linien Vorschub – genau wie es sich separatistische Politiker wie der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, wünschen“, erklärt Causevic. „Die Aufgabe des Hohen Repräsentanten sollte es eigentlich sein, die Umsetzung von Urteilen des EGMR zu fördern und das Land zu versöhnen. Zum wiederholten Male tut Christian Schmidt genau das Gegenteil.“
Wenn sich Schmidts Position durchsetzt, hätten bosnische Bürger weniger Rechte als ihre europäischen Mitbürger. Stattdessen müsse er den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen und die Bestrebungen Bosniens unterstützen, in die EU und die NATO aufgenommen zu werden. In der fragilen Nachkriegsgesellschaft des Landes dürfe man die Kriegsagenden der Nationalisten nicht unterstützen. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch für die Bürger Bosniens, und der EGMR hat bereits Verletzungen in fünf seiner Urteile festgestellt. Ein weiteres Urteil zu verhindern, das die Menschen- und Bürgerrechte in Bosnien stärken würde, brächte den Menschen in Bosnien nur Nachteile und dem Land eine weitere Destabilisierung.