Bozen, Göttingen, 15. August 2025

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Bolivien warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), dass indigene Lebensweisen in dem plurinationalen Staat nach der Wahl noch stärker unter Druck geraten könnten. Etwa die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung gehört einem der 36 anerkannten Indigenen Völker an. „Diese Wahl ist eine Richtungsentscheidung: Entweder Bolivien bekennt sich glaubwürdig zu Verfassung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – oder das Projekt der Plurinationalität wird scheitern“, sagt Königshausen, Referent für Indigene Völker bei der GfbV.
„Der illegale Goldabbau, Waldbrände, die Ausweitung von Agrarflächen und Palmölprojekte bedrohen indigene Territorien und die dort lebenden Gemeinschaften“, erklärt Königshausen. Obwohl die bolivianische Verfassung die Rechte Indigener Völker und den Schutz der Umwelt garantiert, ignorieren staatliche Stellen entsprechende Gerichtsurteile. „Die Untätigkeit der Regierung, beispielsweise bei der illegalen Goldförderung in den Flüssen Beni und Madre de Dios ist ein eklatanter Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien mit Symbolcharakter“, warnt der Menschenrechtler. Durch den Einsatz von Quecksilber beim Goldabbau werden Boden und Wasser verseucht. Die gesundheitlichen Folgen sind verheerend: Laut einem Gutachten der indigenen Organisation CPILAP (Central de Pueblos Indígenas de La Paz) wurde bei 74,5 Prozent der Menschen in indigenen Gemeinschaften in ihrem Territorium der medizinisch unbedenkliche Wert für Quecksilber im Körper überschritten. Obwohl ein Gerichtsurteil 2023 die Aussetzung illegaler Bergbautätigkeiten in dem Gebiet anordnete, laufen diese unvermindert weiter.
„Dies ist Ausdruck einer fundamentalen Krise, die im aktuellen Wahlkampf kaum thematisiert wird und eine bedrohliche politische Leerstelle darstellt. Die ökonomische Krise überschattet alles, doch statt die Probleme grundlegend und nachhaltig anzugehen, halten alle Präsidentschaftskandidaten an einer Fortführung ausbeutender Wirtschaftsmodelle in Form von Bergbau und Monokulturen fest“, kritisiert Königshausen. Damit bleibe ein zentrales Versprechen des Plurinationalstaats in Bolivien unerfüllt: der gleichberechtigte Schutz verschiedener Weltanschauungen, Rechte und Lebensweisen, insbesondere indigener Kulturen und ihrer natürlichen Lebensgrundlagen.
Die GfbV ruft die kommende bolivianische Regierung dazu auf, indigene Rechte zu schützen, das Urteil zum Stopp illegaler Bergbautätigkeiten unverzüglich umzusetzen und extraktivistische Zugriffe auf indigene Territorien zu beenden. Zudem müsse die Regierung garantieren, dass die indigene Organisation CPILAP eine aktive Rolle im nationalen Quecksilberplan bekommt.