Von Yvonne Bangert

Den Feind mit den eigenen Waffen schlagen lautet eine Hauptstrategie der indigenen Bewegungen in den USA. Was damit gemeint ist? Die Ausbildung indigener Anwält*innen, Ärzt*innen, Journalist*innen, Medienschaffender, Schauspieler*innen, Filmproduzent*innen und anderer Professionen, die als Fachleute und Multiplikator*innen der nicht-indigenen Welt Paroli bieten können. Chase Iron Eyes, Executive Director der indigenen, immer gut informierten und bestens vernetzten Organisation Lakota People’s Law Project (im Folgenden kurz Lakota Law), nennt es „Feuer mit Feuer“ bekämpfen: „Im gleichen Maß, in dem wir für die indigene Souveränität einstehen, müssen wir juristisch auch um die Verfassungsrechte aller Amerikaner kämpfen. … Jeder Amerikaner, der seine Verfassungsrechte und seine Menschenrechte wertschätzt, muss alles nur Mögliche tun, um zu verhindern, dass die Großunternehmen und die Maßnahmen der Schattenregierung (shady government) über unser Leben herrschen.“
„Hands off“ – „Hände weg“
Darren Thompson, Medienverantwortlicher von Lakota Law, berichtet über Demonstrationen in 1.000 Städten, bei denen die Teilnehmenden Plakate mit der Botschaft „Hands off“ – „Hände weg“ in die Kameras halten, um so ihrer Unzufriedenheit mit der Regierung Trump, der Unternehmeroligarchie und den Angriffen auf die Menschenrechte Ausdruck zu geben. Darren Thompson: „Die Verantwortung, uns zu verteidigen – uns gegenseitig zu unterstützen, zu organisieren, unseren Gemeinschaften Hilfe zu leisten – hat immer im Vordergrund unseres Bewusstseins gestanden, unabhängig davon welche Partei im Weißen Haus gerade das Sagen hat.“
371 gebrochene Verträge
Indigene Verfassungsrechte fußen bis heute auf den insgesamt 381 Verträgen, die das Verhältnis zwischen den bis dahin souveränen indigenen Nationen und den USA regeln sollten und nach dem Ende der Kolonialkriege der US-Truppen gegen die indigenen Nationen im 18. und 19. Jahrhundert geschlossen wurden. Die indigene Seite räumte darin den US-Amerikaner*innen Nutzungsrechte über Teile ihres Landes ein und erhielt im Gegenzug Dienstleistungen wie beispielsweise Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahrungshilfe oder ausreichend Land für die Selbstversorgung. Auf ihre Souveränität verzichteten die Native Nations ausdrücklich nicht. 371 dieser 381 Verträge wurden seitens der USA gebrochen. Sie sind allerdings nach wie vor verbindliche Dokumente des internationalen Rechts und dadurch unter anderem Grundlage für Verfahren um indigene Verfassungsrechte in den USA und vor den Vereinten Nationen.
Erdöl, Uran, Kohle
Indigenes Land beherbergt unermessliche Vorkommen an Kohle, Erdöl einschließlich Teersand, Uran und anderen Rohstoffen, über die Präsident Trump gemäß seiner Doktrin, die USA von Rohstoffimporten unabhängig zu machen, selbst verfügen will. Er trifft auf indigene Verfassungsjurist*innen die inzwischen gut ausgebildet sind, auf indigene Wirtschaftsfachleute, Medienschaffende oder Aktivist*innen, die sich vernetzen und Bündnisse untereinander und auf internationaler Ebene mit anderen NGOs und Umweltbewegungen bilden. Medienschaffende aus den eigenen Reihen mobilisieren mit indigenem Bürgerfunk (KILI Radio), eigenen Zeitungen, in Online-Medien oder auch im Kino und TV eine wachsende nationale und internationale Öffentlichkeit.
Sie schaffen den Spagat, sich der Mittel dieser nichtindigenen Welt zu bedienen, ohne die eigenen kulturellen Wurzeln zu verlieren. Sie beharren auf einem Verhältnis auf Augenhöhe zwischen zwei souveränen Partnern, wenn sie ihr Verhältnis zu den USA beschreiben. Auch deshalb sind ihre Beziehungen zu den Vereinten Nationen, an deren Fachgremien und Tagungen sie sich rege beteiligen, von so großer Bedeutung.
„Drill, baby drill“
Dem steht die Regierung Trump und ihre Direktive „drill, baby drill“ diametral gegenüber. Der Schutzstatus indigener Gebiete vor Bergbauprojekten oder Pipelinebau, der unter Präsident Obama und später Präsident Biden verkündet wurde, wurde von Trump jeweils wieder aufgehoben. Auch den Uranbergbau im Südwesten der USA will Trump wiederaufleben lassen. Hier wird er mit der indigenen ehemaligen Innenministerin Deb Haaland vermutlich bald eine entschlossene Widersacherin bekommen. Sie kandidiert für den Gouverneursposten im Bundesstaat New Mexiko und scheint gute Chancen zu haben. Deb Haaland hat die Regierung Biden in Angelegenheiten der Indigenen, des Natur- und Umweltschutzes beraten.
Sorge um den Grand Canyon
Im Nachbarstaat Arizona sind Umweltschützer*innen und Indigene in großer Sorge um die Region des Grand Canyon und die Ausbeutung der dort befindlichen Uranvorkommen. Die in München erscheinende Zeitschrift Coyote, einzigartiges Fachblatt für die Rechte der Indigenen Amerikas in deutscher Sprache, nennt ein Beispiel: Präsident Obama verkündete 2012 ein Moratorium gegen den Uranbergbau für die nächstfolgenden 20 Jahre in einer Region, in der sich heilige Stätten der Havasupai, der Hopi, Hualapai, Kaibab, Paiute und Dine befinden. Präsident Biden bestätigte und erweiterte dies seinerseits mit einem Erlass, den die Republikaner bereits zweimal vergeblich vor Gericht angefochten haben.
„Kill the indian, save the man“
Es gibt keine Zukunft ohne Kinder. Kindesentzug und Zwangsunterbringung indigener Kinder in nichtindigenen Institutionen waren daher ein Mittel des kulturellen Völkermords durch Entfremdung der Kinder von ihren Familien und ihrer Kultur insgesamt. Zwar wurden diese Internate inzwischen geschlossen. Doch die staatliche Fürsorge packt auch heute noch indigene Kinder in nicht von Indigenen geführte sogenannte Group Homes, selbst wenn es zum Beispiel Großeltern oder andere Angehörige gibt oder sie von indigenen Einrichtungen der eigenen Gemeinschaft aufgenommen werden könnten. „Kill the indian, save the man“, gilt für manche Bürokraten offenbar noch immer.
Emily Pike – ermordet und zerstückelt
Wellen schlug hier zuletzt das Schicksal von Emily Pike, einem Teenager der San Carlos Apache, die 2024 aus einer Pflegefamilie weglief. Sie wurde ermordet, ihr Leichnam wurde zerstückelt gefunden. Ihr Mörder war im Mai 2025 noch nicht gefunden. Immerhin bewirkte die Protestwelle, unter anderem organisiert von Lakota Law, dass der Senat des Staates Arizona mit dem Gesetz 2281 (House Bill 2281) ein Alarmsystem für Fälle von vermissten indigenen Angehörigen offiziell anerkannter Nationen beschloss, genannt Emilys Law. Die Gouverneurin des Staates Arizona Katie Hobbs hat das Gesetz inzwischen unterzeichnet.
Yvonne Bangert war bis 2022 Referentin für Indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. Aus dem Ruhestand schreibt sie weiter für die Zeitschrift.